«Die Resultate scheinen diesen Herbst etwas heterogener»
Anfang Oktober hat die WEMF ihre diesjährigen Herbstpublikationen veröffentlicht. Dr. Jella Hoffmann, Executive Director of Research and Development erklärt Carmela Wittmer, Director of Customer Relationship Management, im Interview, welche Trends sich bei den Leserschaftszahlen abzeichnen, inwiefern diese das New Normal abbilden und welche spannenden Erkenntnisse die erstmals publizierte Psychografiestudie MACH Values bringt.
Kommen wir direkt zu den Zahlen: Welche Trends zeigt die MACH Basic 2021-2?
Über alle Pressetitel hinweg ist insgesamt ein leicht rückläufiger Trend bei den gedruckten Titeln zu beobachten. Vor dem Hintergrund des letztjährigen Digitalisierungsschubs und der Zunahme der Digitalabos bei vielen Titeln ist das nachvollziehbar.
Allerdings scheinen die Resultate diesen Herbst etwas heterogener, was vermutlich auch mit der Corona-Pandemie zusammenhängt.
Inwiefern enthält die Herbstpublikation Daten aus dem Pandemie-Zeitraum?
Da es sich bei der MACH Basic um eine Planungsstudie handelt, sollten kurzfristige Sondereffekte möglichst nicht abgebildet werden, mittel- und langfristige Veränderungen sollten hingegen trotzdem frühzeitig in die Ergebnisse einfliessen. Entsprechend ist die WEMF in Abstimmung mit dem Medien- und Werbemarkt mit den seit Beginn der Corona-Pandemie erhobenen Daten umgegangen: Um kurzfristige Effekte möglichst aussen vor zu lassen, wurden die Daten aus dem ersten Lockdown vom Frühling 2020 für die Medienwertberechnung ausgeschlossen. Um mittel- und langfristige Trends jedoch gleichzeitig baldmöglichst abzubilden, wurden alle weiteren Daten im Original verwendet.
Die Herbstpublikation MACH Basic 2021-2 enthält damit zu einem relevanten Anteil Daten, welche nach Beginn der Corona-Pandemie erhoben wurden – namentlich Daten aus der Periode Juli 2020 bis März 2021, in die beispielsweise der zweite (Teil-)Lockdown im Winter 2020/21 fiel.
Hat die Corona-Pandemie die Medienergebnisse beeinflusst, lässt sich dazu bereits etwas sagen?
Als quantitative Reichweitenstudie dokumentiert die MACH Basic Entwicklungen von Leserschaften – unabhängig von deren Ursachen. Entsprechend liefern die Ergebnisse keine empirischen Belege dazu, ob Veränderungen in der Leserschaft auf Pandemie-Einflüsse zurückzuführen sind oder nicht.
Die Resultate insgesamt zeichnen zudem kein homogenes Bild, d. h., es gibt über alle Pressetitel hinweg oder auch für Titel derselben Gruppe keine gleichartigen Leserschaftstrends, welche auf einen generellen Pandemie-Effekt schliessen lassen würden.
Betrachtet man jedoch die einzelnen Pressetitel genauer, so ergeben sich durchaus gewisse Muster, die einen Zusammenhang mit der Corona-Pandemie nahelegen.
Das tönt spannend, welche denn?
Zunächst ist zu sagen, dass viele Titel wie in den letzten Jahren sehr kontinuierliche Leserschaftsniveaus erreichen.
Dann gibt es eine Gruppe von Titeln, die seit Anfang 2020 besonders stabile oder sogar leicht zunehmende Reichweiten aufweisen. Diese Titel zeigen oft einen thematischen Zusammenhang zu Lebensmitteln, zu Essen oder Kochen.
Auf der anderen Seite wiederum gibt es Titel, welche seit Beginn der Corona-Pandemie – teilweise über lange Strecken oder sogar immer noch – eine ungünstige Ausgangslage hatten. So versteht sich z. B. von selbst, dass Pressetitel, welche auch ausserhalb des ersten Lockdowns einzelne Publikationen ausgesetzt, das Erscheinungsintervall oder die Auflage massiv reduziert haben, nun möglicherweise tiefere Leserwerte erreichen.
Es weisen zudem seit Pandemiebeginn vor allem diejenigen Titel Leserrückgänge auf, die (auch) ausserhalb des privaten Haushalts erworben und/oder gelesen werden: Dies sind die Titel, die unterwegs, auf Reisen und am Flughafen, in Bibliotheken, in Cafés und Restaurants, in Hotels, im Wartezimmer, beim Coiffeur, in der Kaffeeküche oder im Pausenraum gelesen werden. Diese Nutzung ausserhalb des eigenen Zuhauses führt dann auch in der Regel dazu, dass diese Pressetitel mit einem Exemplar mehr als ein oder zwei Leser erreichen. Entsprechend zeigen auch eher Titel mit bisher höheren LpE-Werten (Leser pro Exemplar) rückläufige Ergebnisse.
Zeichnen sich hier nachhaltige Corona-Pandemie-Effekte ab?
Es lässt sich derzeit noch nicht sagen, wie nachhaltig Veränderungen des Leseverhaltens sein werden, welche durch die Corona-Pandemie (mit-)bedingt sind. Hier ist, auch je nach spezifischem Kontext, sowohl eine Erholung als auch ein Einpendeln auf einem neuen Niveau oder eine weitere Akzentuierung der beobachteten Trends möglich.
Mit der Einführung der Kontakt- und Titelqualitäten weist die aktuelle MACH Basic-Publikation eine wichtige Neuerung auf. Was gibt es hierzu besonders hervorzuheben?
Mit den Kontakt- und Titelqualitäten, wir nennen sie auch kurz «KTQs», liefern wir dem Markt qualitative Informationen für verschiedene Titelgruppen, welche über die reine Reichweite hinausgehen. Die Resultate zeigen beispielsweise, dass Titel der Programmpresse durchschnittlich mehr als 5-mal in die Hand genommen werden oder dass manche Zeitschriften sich über mehr als 60 Minuten Lesezeit freuen können.
Im Rahmen der Herbstpublikation wurde erstmals die MACH Values publiziert. Welche Vorteile bringt die neue Psychografiestudie ihren Bezügern?
Mit der neuen Psychografie MACH Values können Medienanbieter ihre Titel über Soziodemografika hinaus profilieren und zeigen, welche Zielgruppen mit welchen Werthaltungen sie besonders gut erreichen. Da die Studie zudem mit allen Konsuminformationen aus der MACH Consumer verknüpft ist, können Mediaagenturen und Werbeauftraggeber dieselbe Analyse für bestimmte Kundengruppen oder Marken vornehmen. In der Kombination dieser Informationen ist schnell und komfortabel ersichtlich, welche Titel mit welchen Marken oder Zielgruppen den besten Values-Fit haben.
Welche Ergebnisse der MACH Values-Erstpublikation sind besonders interessant?
Ehrlich gesagt, kann ich mich da nicht entscheiden. Persönlich finde ich es besonders spannend, dass man die Wertepositionierung von Printmedien, Konsumzielgruppen oder Marken einander direkt gegenüberstellen kann. So ergeben sich oft auch Überraschungen, beispielsweise wenn man entdeckt, dass zwei Marken, die in komplett unterschiedlichen Branchen zu Hause sind, wertemässig perfekt zueinander passen würden.
Ausserdem bin ich ein grosser Fan der Typogrammdarstellung. Sie zeigt durch eine intuitive Visualisierung, welche Values-Typen man besonders häufig in einer Leserschaft oder Zielgruppe findet – noch bevor man eine einzige konkrete Zahl gelesen hat.
Vielen Dank für diese interessanten Hintergrundinformationen zur WEMF-Herbstpublikation.
Zur Person
Dr. Jella Hoffmann hat Anfang 2021 als Executive Director of Research and Development die Gesamtverantwortung für die Forschungsabteilung der WEMF übernommen. Seit August 2019 ist sie Mitglied der WEMF-Geschäftsleitung. Die promovierte Medienforscherin arbeitete seit September 2012 als Director of Product Management and Ad-hoc Research und stellvertretende Forschungsleiterin im Unternehmen. In dieser Funktion hat sie die heutige Medien- und Konsumforschung der WEMF massgeblich mitgeprägt sowie den Bereich der Ad-hoc-Forschung aufgebaut.